Lastenheft und Pflichtenheft als Basis für Webprojekte

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Autor: Achim Wagner

Bei "Mit Achim quatschen..." zum Thema "Digitale Projekte realisieren - Learnings aus der Kundenperspektive" haben wir sehr kontrovers über das Thema “Pflichtenheft vs. agile Projektsteuerung” diskutiert. 

Lastenheft und Pflichtenheft vs. agile Projektsteuerung

Lastenheft und Pflichtenheft werden oft gleichwertig als Anforderungsdokumente behandelt. Es gibt jedoch gravierende Unterschiede, die wir in diesem Artikel erklären möchten. In größeren Projekten kommt man um ein Lastenheft und Pflichtenheft nicht herum, wenn man Anforderungen sauber dokumentieren möchte. Sie schaffen eine solide Grundlage für die spätere Umsetzung.

Sicherlich hat jeder Unternehmer es schon einmal erlebt: Kunden äußern viele Wünsche und sind sich selbst noch nicht im Klaren darüber, was Sie eigentlich genau möchten. Das exakte Erfassen der Projektanforderungen ist für Kunden meist keine leichte Aufgabe. Vermutlich wären Kunden sonst auch nicht auf die Hilfe von beratenden Spezialisten angewiesen.

In einer Reihe von Gesprächen gilt es, Kunden zu informieren und das ein oder andere Detail zu klären, bevor ein Projekt starten kann. Kundenwünsche sind zu erfassen, zu unterstützen, Rückfragen zu stellen, Empfehlungen auszusprechen und dann gemeinsam das Lastenheft auszuarbeiten. Aus dem Lastenheft resultierend ist ein Pflichtenheft aufzusetzen und das Angebot zu erstellen. Das sind die konstruktiven Abläufe, die in erfolgreichen Agenturen umgesetzt werden. Die Digitalagentur Simple Web-Solutions unterstützt Kunden gerne beratend und durch Workshops in der Start-Phase des Webprojektes.
 

Lastenheft und Pflichtenheft als Grundlage für die perfekte Zusammenarbeit

Obwohl Kundenwünsche meistens sehr umfangreich sind, werden sie oft nur verbal geäußert und oberflächlich besprochen. Der „lockere“ Austausch von Projektanforderungen in Vorgesprächen kann bei falscher Vorgehensweise allerdings für Kunden und auch ausführende Agenturen fatal enden.

Stellen wir uns als Beispiel einen Autokauf vor. Wir übertragen das häufige Vorgehen von Unternehmen und Agenturen auf den Verkäufer und seinen Kunden. Ein Kunde beschreibt dem Verkäufer, locker neben dem Vorführwagen eines beliebten Firmenwagen-Modells stehend, seine gewünschten Extras. Man plaudert ein wenig über das Business des Kunden. Der Verkäufer scheint sich gut auszukennen. Nach einigen Rückfragen ist sich der Verkäufer nun ganz sicher, alle Extras im Kopf zu haben. Startklar für das Projekt kombiniert er das Thema „Business“ mit dem beliebten Vorführwagen. Er entwickelt er für den Kunden seine Lösung: Ein dunkelblauer Kombi soll’s wohl sein!

Der „Traumwagen“ wird nun nach dem Gespräch gebaut und angeliefert. Der Auftraggeber erscheint zur Abholung im Autohaus – und er fällt aus allen Wolken. Sein ursprünglicher Wunsch: Ein schwarzes SUV. Diesen Wunsch hatte der Kunde auch geäußert, da ist er sich sicher. Der Verkäufer erinnert sich jedoch nur daran, von Laderaum, Allrad-Antrieb, Lederausstattung, Dachreling, Anhängerkupplung, Motorleistung, Schiebedach, Winterpaket gesprochen zu haben. Das wurde geliefert. Leider natürlich in dem vermeintlich passenden „Business-Modell“ verbaut.

Solche Beispiele kennen sicher auch Sie mit ähnlicher Problematik. Sie lassen sich sehr gut auch auf die Software-Entwicklung übertragen. Unter anderem durch Nachbesserungen können sich Projektlaufzeiten vervielfachen sowie die Kosten explodieren. Dadurch sind häufig parallele Projekte in Agenturen gefährdet, weil Personalressourcen nicht zum Einsatz kommen können. Der Kunde zweifelt natürlich am Geisteszustand des Verkäufers. Meist ist er nicht bereit, die durch unklare Projektbeschreibungen entstehenden Mehrkosten aufzufangen. Ein unbefriedigendes Ergebnis für beide Seiten ist die Folge. Dabei ist es sehr einfach, solche Missverständnisse auszuschließen.

Ein Lastenheft sowie das darauffolgende Pflichtenheft sind relativ simple Instrumente in der Software-Entwicklung. Sie bieten darüber hinaus sowohl dem Auftraggeber, als auch dem Auftragnehmer eine definierte Grundlage für die weitere Zusammenarbeit.

Der kleine Unterschied

Umgangssprachlich werden die Begriffe Lastenheft und Pflichtenheft häufig gleichwertig verwendet. Man spricht beispielsweise von einem „Anforderungsdokument“. In der Praxis ist der Unterscheid zwischen den beiden Dokumenten entsprechend eher fließend. Es besteht jedoch eine gravierende Differenz. Für beide Dokumente gilt, dass sie zur Grundlage der klaren Zusammenarbeit von Dienstleister und Kunde bei einem neuen Projekt dienen.

Das Lastenheft hält hierbei die gesamten Anforderungen des Auftraggebers an den Auftragnehmer fest. Es handelt sich also um eine Spezifikation der Kundenwünsche, die dieser in der Regel auch in Eigenregie erstellt. Der Lohn der Arbeit für den Auftraggeber: Ein Lastenheft erleichtert es, annähernd vergleichbare Angebote verschiedener Anbieter einzuholen. Jeder potentielle Auftragnehmer bewertet Anforderungen basierend auf derselben Grundlage und kann sein Angebot erstellen. Bei verbalen Formulierungen und Telefonaten mit mehreren Dienstleistern entstehen demgegenüber unterschiedliche Dialoge und folglich nicht vergleichbare Ergebnisse. Mithilfe eines Lastenheftes bleibt die Informationsgrundlage stets dieselbe.

Der Auftraggeber beschreibt alle Anforderungen möglichst detailliert in einem Dokument. Oftmals wird der Auftraggeber hierbei erstmals damit konfrontiert, sich umfangreiche Gedanken zum Projekt zu machen und Wünsche und Erwartungen möglichst konkret zu formulieren. Durch ein strukturiertes Dokument entsteht, manchmal auch schon im Dialog mit einer Agentur, ein Anforderungskatalog.
Inhaltlich sollte ein Lastenheft folgende Punkte umfassen:

  • Beschreibung aktueller IST-Zustand: Worauf baut das Gesamtvorhaben auf und welche Voraussetzungen sind gegeben?
  • Beschreibung gewünschter SOLL-Zustand: Zielsetzungen des Gesamtvorhabens. Was soll das Produkt nach Fertigstellung beinhalten?
  • Definition von Zuständigkeiten und Schnittstellen: Wer ist in dem Projekt für welche Bereiche zuständig und wo treffen diese Zuständigkeiten aufeinander?
  • Funktionalen Anforderungen: Was soll das Produkt funktional beherrschen (Wie zum Beispiel eine Benutzeranmeldung)?
  • Nicht-funktionale Anforderungen: zum Beispiel Zuverlässigkeit, Wartbarkeit, Benutzbarkeit und so weiter.

Dem Auftragnehmer ist es dank Lastenheft möglich, ein detailliertes Pflichtenheft zu erstellen. Das Pflichtenheft beschreibt, wie und womit der Auftragnehmer das Gesamtvorhaben umsetzen wird. Es stellt vorbereitend zum Angebot die vertragliche Grundlage der zu erbringenden Leistungen dar. Daher ist es essentiell, eine gründliche Ausformulierung von Zielen, aber auch von Nicht-Zielen durchzuführen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass in enger Abstimmung gearbeitet. Empfehlenswert ist es, dass der Kunde bei der Erstellung des Pflichtenhefts involviert ist. Der Übergang von Lastenheft zum Pflichtenheft ist so oft fließend.

Gleichermaßen wichtig für die Erfüllung der geforderten Leistungen ist die positive Abgrenzung der Ziele sowie die negative Abgrenzung der Nicht-Ziele. Was soll das Produkt können und was wird es nicht können. Nur durch eine möglichst exakte Formulierung beider Aspekte ist es möglich, eine klare Aussage über die Erfüllung der Leistungen zu treffen sowie die spätere Produktabnahme diskussionsfrei durchzuführen. Ansonsten könnte es, unser Autokauf-Beispiel hatte hier viel Potential, zu Meinungsverschiedenheiten über den Erfüllungsgrad kommen.

Lohnend ist es, in das Pflichtenheft Zeit zu investieren. Diese kann bei der Durchführung und Abnahme des Gesamtvorhabens mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder eingespart werden.

Erst nachdem der Auftraggeber das Pflichtenheft abgenommen und unterzeichnet hat, wird der Aufwand bewertet und ein präzises Angebot für das Projekt erstellt. Workshops und Beratungsleistungen zur Erstellung eines Pflichtenheftes sind Bestandteil des Auftrages und werden von Agenturen auch in Rechnung gestellt. Ein gemeinsam erstelltes Pflichtenheft ist noch kein erteilter Auftrag und der Kunde bekommt mit dem Pflichtenheft immer auch die Möglichkeit, andere Anbieter zu kontaktieren. Wer auf ein gut vorbereitetes Pflichtenheft eines anderen Dienstleisters zurückgreifen kann, schlägt natürlich im Angebot alle Preise, da keinerlei Vorleistungen mehr zu erbringen sind.

Die Erstellung von Lastenheft und Pflichtenheft ist sinnvoll

Besonders in der Software-Entwicklung und damit auch in der Web-Entwicklung ist es wichtig, die detaillierte Formulierung von Zielen festzuhalten. In der IT ist es häufig so, dass einfach formulierte Kundenwünsche nicht unbedingt einfach in der Programmierung sind.

Die genaue Abgrenzung des Leistungsspektrums und auch der nicht möglichen Ziele sind essentiell zur Umsetzung eines Projekts. Nur so besteht eine definierte Basis die eine diskussionsfreie Abgabe des fertigen Produkts oder einer Dienstleistung ermöglicht. Die genaue Beschreibung ist ein wichtiger Faktor, damit das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann und die Zusammenarbeit bei den beteiligten Parteien für Zufriedenheit sorgt.

Eine möglichst klare Definition kann idealerweise spätere Nachbesserungen und Korrekturen vermeiden, die für den Dienstleister und den Kunden zusätzliche Aufwände bedeuten. Es lohnt sich also immer, Zeit in die sorgfältige Erstellung eines Pflichtenheftes zu investieren. Das Projekt kann so nach fest geplanten Zielen konkret erstellt werden.

Simple Web-Solutions empfiehlt besonders bei großen Projekten immer ein Lastenheft und Pflichtenheft zu erstellen. Allerdings eignet es sich auch bei kleineren, nicht so umfangreichen Projekten. Oft ist ein gemeinsam mit dem Kunden besprochenes einheitliches Lastenheft hier jedoch ausreicht. Im Normalfall wird das Pflichtenheft zum Bestandteil des Kaufvertrages. Es stellt zusammen mit einem Angebot den vertraglichen Grundriss der zu erfüllenden Leistungen dar.

Digitale Projekt realisieren - Learnings aus der Kundenperspektive

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Christian Backhaus

Experte zu diesem Artikel:

Christian Backhaus